Depression - Ärzte sind ratlos

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ella8
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Depression - Ärzte sind ratlos

Beitrag von ella8 »

Hallo an alle,

ich brauche mal den Rat von jemandem, der sich gut mit Depressionen/psychischen Störungen auskennt.
Mein Vater ist schon seit ich ihn kenne (also über 25 Jahre) depressiv.
Er hat schon alle möglichen Behandlungen mitgemacht, sowohl ambulant als auch stationär
Nix hat ihm so richtig weitergeholfen. Bis vor zwei Jahren.
Auf einmal ging es ihm immer besser, er war ein ganz anderer Mensch. Es war nicht so, dass man ihn nicht wiedererkannt hat oder er extrem gut drauf war, er war einfach "normal"..so wie sich andere jeden Tag verhalten. Während der ganzen Zeit hat er regelmäßig Citaloproam genommen.

Seit ein paar Monaten ist nun alles wieder anders. Er redet kaum, hat zu nix Lust, zieht sich zurück und die kleinsten Dinge machen ihn total fertig. Es ist so schlimm bzw. noch schlimmer wie vor 2 Jahren. Dabei muss man sagen, dass er Citalopram immer unregelmäßiger genommen hat und am Ende gar nicht mehr genommen hat, da er dachte, er brauch die Medikamente nicht mehr.
Nun ist er seit bald 3 Monaten in einer psychiatrischen Klinik. Besser geworden ist es noch nicht, eher im Gegenteil.

Jetzt mein Problem: Die Ärzte bekommen es nicht auf die Reihe eine richtige Diagnose zu stellen. Sie meinen, es passt absolut nicht in das typische Schema, dass es ihm 2 Jahre lang richtig gut ging. Sie wollten ihm einreden, dass er manisch-depressiv ist. Aber alle die ihn kennen (ich inkl.) glauben das nicht, da er in der Zeit als es ihm gut ging, einfach nur normal war. Nicht extrem aufgedreht oder so..einfach so wie ein psychisch gesunder Mensch. Laut Ärzten kann das aber nicht sein und wir (also alle anderen die meinen Vater kennen) haben eine falsche Wahrnehmung.

Nun meine Frage: Kennt sich jemand damit aus? Hat jemand ein ähnliches Krankheitsbild? Wie kann es sein, dass es ihm 2 Jahre lang so gut ging wie sein ganzes Leben noch nicht und auf einmal alles wieder den Bach runter geht, obwohl sich an der Lebenssituation nichts geändert hat? Der Arzt meinte, dass es unwahrscheinlich ist, dass das Absetzen der Medikamente Schuld daran ist. Kann das sein?! Er hat die Medikamente doch nicht einfach so bekommen??!

An sich wäre die Diagnose ja reichlich egal, ABER:
1) alle anderen werden für blöd dargestellt (vor allem meine Mutter), was doch irgendwie verunsichert und den eigenen gesunden Menschenverstand in Frage stellt
2) mein Vater wird nicht seinen Bedürfnissen entsprechend behandelt, da die Ärzte nicht wissen, wo sie ihn einordnen sollen
3) die Klinik will meinen Vater los werden (trotz Suizidgedanken!!!), da sie mit ihm und seinem untypischen Erkrankungsverlauf nix anfangen können

Kann irgendjemand helfen??
Es ist mir bewusst, dass ihr meinen Vater nicht kennt. Ich möchte einfach nur wissen, ob das alles wirklich so untypisch ist, denn manchmal zweifle ich wirklich an der Kompetenz der Ärzte. :roll:

Danke!!!
convaincu
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Re: Depression - Ärzte sind ratlos

Beitrag von convaincu »

Hallo Ella,
ich bin mir nicht sicher ob ich die Frage erschöpfend beantworten kann, werde aber versuchen einen Überblick zu vermitteln zum Kern der Frage
Mit den Begriffen typisch und untypisch tue ich mir persönlich in der Diskussion, gerade im Kontext mit psychiatrischen Erkrankungen, immer etwas schwer.

Es gibt natürlich Parameter in den Klassifikationen der Diagnostik psych. Störungen die dazu dienen Symptome, Krankheitsbilder- und Verläufe zu beschreiben,
bzw. voneinander zu trennen.
Auch soll damit die Kommunikation zwischen Ärzten und Psychologen, wie auch mit dem Patienten und den Angehörigen vereinfacht werden. Aber typisch oder klassisch ist so eine Sache......
Im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen ist die Diagnose sehr schwer und bisweilen langwierig und stellt Betroffene und ihre Angehörige auf die Probe.
Das hat aber nicht zwingend mit fehlender Kompetenz seitens der Ärzte zu tun. Es ist eben nicht immer alles klar.
Und das die Ärzte ihrem Vater eine Krankheit einreden wollen, völlig ratlos sind oder ihn sogar loswerden wollen.... das mag ich so nicht glauben :D
Da gibt es, glaube ich, noch Verbesserungspotenzial im Bereich der Kommunikation vor allem bzgl. Sensibilisierung der Angehörigen.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und ein Lehrbuch "Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen" (H.-U. Wittchen) hervorgeholt .
Da wird die Krankheit als "hypothetisches Konstrukt" beschrieben und mit vielen Facetten und Einflussfaktoren dargestellt
Ich kann mir vorstellen das dies Definitionen sind, die sie in der derzeitigen Stimmung auf den Gipfel bringen.
Aber so sieht es nun mal aus.

Schon im Bereich der Depressionen gibt es einige Typen oder Sub-Typen die wechselseitig auftreten bzw. sich aus einer anderen entwickeln.
Wenn es ihrem Vater nach vielen Jahren des Leidens besser ging, hätte ich als erstes gesagt: "Da hat man dann endlich das richtige Medikament und die passende Einstellung gefunden.
Und wenn es ihm nach Absetzten des Medikamentes plötzlich schlechter geht, dann wäre auf den ersten Blick auch etwas im Fokus gewesen.
Grundsätzlich gibt es aber einige endogene oder exogene Faktoren die dies bewirken können.
Aber wir kennen die komplette Kommunikation und die durchgeführten Maßnahmen zwischen Ärzten, Ihnen und Ihrem Vater nicht.
Was passiert in der Klinik. Wird ihr Vater jetzt wieder medikamentiert und eingestellt? Gab es Differenzialdiagnosen um physische Grunderkrankungen auszuschließen? Oder wird er nur verwahrt? :?:

Ich habe so das Gefühl das da auch noch Details fehlen, bzw. es sind (begründet) subjektive Einschätzungen.

Ich hoffe der Sermon konnte ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Ansonsten wünsche ich Ihnen und ihrem Vater alles Gute und bleiben sie am Ball, denn tatsächlich muss ihr Vater seinen Bedürfnissen entsprechend behandelt werden.

C.
ella8
Topicstarter
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Beiträge: 8
Registriert: 10.05.13, 11:56

Re: Depression - Ärzte sind ratlos

Beitrag von ella8 »

Danke convaincu für die ausführliche Antwort!

Dass alles was ich geschrieben habe sehr subjektiv ist, ist natürlich richtig. Dazu muss ich sagen, dass ich persönlich mit den Ärzten bzw. Therapeuten keinen Kontakt habe/hatte, sondern nur meine Mutter. Ich wohne weit weg von meinen Eltern und kann daher meinen Vater nicht besuchen.
Vieles von dem was ich geschrieben habe, weiß ich also auch nur von Erzählungen und kann nicht beurteilen, wie es die Ärzte nun wirklich gesagt haben (z.B "typisch").

Jedenfalls (soweit ich das beurteilen kann) haben die Ärzte in der Klinik für jedes Krankheitsbild ein Schema, nach dem die Patienten behandelt werden. Und mein Vater scheint da nicht rein zu passen.
Es ist mir schon auch bewusst, dass psychische Krankheiten oft ineinander übergehen und die Diagnose nicht so einfach ist. Der Arzt meinte, dass mein Vater manisch-depressiv ist. Er hat die Symptome dieser Krankheit aufgezählt, wovon aber viele nicht auf meinen Vater zutreffen. Das kann doch nicht sein. Und dann werden die Angehörigen so dargestellt, als ob ihre Wahrnehmung gestört ist...das ärgert mich einfach.

Ob die Ärzte meinen Vater nun loswerden wollen, ok..das kann schon sein, dass das nur so ein Gefühl ist und nicht stimmt. Jedenfalls ist es unverantwortlich, wenn mein Vater übers Wochenende nach Hause gelassen wird (weil das eben nach fast 3 Monaten so üblich ist), wenn es ihm richtig schlecht geht und er Suizidgedanken hat.

Leider kann ich auch nicht genau sagen, ob eine Diffrenzialdiagnostik erfolgt ist. Mein Vater hat jetzt schon verschiedene Medikamente bekommen, aber es ist keine Besserung in Sicht. Er nimmt jede Nacht Schlaftabletten, ab und zu auch noch stärkere Medikamente wenn es gar nicht geht. Psychotherapie gibt es einmal die Woche, aber wenn er da keine Lust drauf hat, geht er eben nicht hin. Die Ärzte wussten bisher nichts von den Problemen in der Kindheit (was doch eigentlich mit das erste sein sollte, wonach gefragt wird) und es wurde nicht berücksichtigt, welche Medikamente er in der Vergangenheit gut vertragen hat.

Ich habe einfach das Gefühl, dass da nicht so richtig tiefgründig nach den Ursachen gesucht wird, dadurch manche Dinge falsch interpretiert werden und damit auch die Behandlung (inkl. Medikamente) nicht optimal erfolgt.
Aber daran kann man vermutlich nichts ändern wenn man selbst nicht viel Ahnung hat und man muss sich darauf verlassen, dass die Ärzte alles richtig machen :?
Muppet
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Re: Depression - Ärzte sind ratlos

Beitrag von Muppet »

Hallo,
kann nur sagen: es gibt psychiatrische und psychologische Diagnosen.
Die 2 sind oft nicht übereinstimmend.

Es gibt kein "typische" Depression, da es keine typische Menschen gibt.
Wenn die Ursache definitiv psychisch ist, ist auch eine genauen Diagnose nicht so wichtig. Es geht darum zu finden, was wirkt.

2 Jahren sind meine Meinung nach, sehr lang für eine manischen/hypomanischen Phase. Meistens handelt es sich nur um Wochen. Hypomanie kann sich auch durch Aggression oder extrem niedrigen Schlafbedurfnis und andauernd unruhiges Verhalten äußern. Muss nicht Euphorie sein. Ist nicht immer mit guten Laune verbunden.
Um Bipolar zu diagnostizieren muss nur 1 manische/hypomanische Phase im Leben aufgetreten sein. Reicht schon für einen Diagnose.
Alles Gute
Muppet
lolle2006
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Re: Depression - Ärzte sind ratlos

Beitrag von lolle2006 »

Hallo,
ich habe seit 12 Jahren Depressionen und eine manische Phase. also Diagnose bipolar.
Ich hatte auch zeitweise 1-2 Jahre gar nichts und dann kam die Depression von heut auf morgen auch wieder. Einmal war ich einer psychosomatischen Klinik da musste ich das Antidepressivum absetzten wg zu starken Nebenwirkungen. Die haben mir kein neues gegeben weil ich nachts 50mg Trimipramin noch einnahm ein trizyklisched AD. 1 Woche später zu Hause bekam ich eine ganz schwere Depression
Bekam ein neues Antidepressivum. Deswegen versteh ich nicht ganz bei ihrem Vater dass sie nicht den Zusammenhang sehen mit dem Absetzen von seinem AD. 3 Monate in der Psychiatrie ist schon lange. Ich kann nur sagen für mich waren Psychiatrieaufenthalte immer sehr schlimm. Deswegen kann ich ihren Vater schon verstehn dass es ihm da nicht besser geht. Welche Medikamente bekommt er in der Psychiatrie? Es gibt so viele verschiedene Antidepressiva. Dann gibt es Stimmungsstabilisierer. Ich muss auch leider das Antidepressivum ständig wechseln weil es immer nur paar Wochen hilft. Eine Psychotherapie habe ich 4 Jahre gemacht.
Ich hoffe das es ihrem Vater bald besser geht.
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