Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

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tinkerbell71
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Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

Beitrag von tinkerbell71 »

Hallo
Möchte kurz einmal eine Rückmeldung bitte von euch haben wie ihr die Geschichte seht. Unsere 16 jährige hat letztes Jahr einen schweren Schulunfall. 3 Monate nach diesem Unfall wurde eine Rotationssubluxation C1/C2 festgestellt und der Versuch einer Repositionierung unter axialem Zug. Hatte leider nicht geholfen. Im Januar bekam sie einen Halofixateur externe, den sie 3 Monate trug. Seit dem hat sie weiter Rückenschmerzen, Nackenschmerzen und auch Kopfschmerzen. Nicht dauerhaft und es gibt auch Tage, da spürt sie es kaum.
Nun zum Problem. Sie hat leider auch heftige Drehschwindelattacken. Eigentlich jeden Tag. Mal sind sie für 10 min. können sich aber auch über Stunden hinziehen, so das sie mit dem Bauch auf den Fussboden liegt, um einen Orientierungspunkt zu haben.
Zuerst fand ein Neurologe einen Vestibularisausfall fest. 2 Tage später fand der zugerufenen HNO- Arzt gar nichts. Wieder 2 Wochen später war ich mit ihr bei unserem HNO-Arzt. Der stellte dasselbige fest und sagte unreparabel. (Zu diesem Zeitpunkt hatte sie keinen Schwindel). Jetzt hatte sie einen totalen Zusammenbruch und wurde wieder im Krankenhaus behandelt. Der zuständige HNO-Arzt stellte wieder nichts fest. Organisch soll alles in Ordnung sein. Ob aus Neurologischer, HNO, Chirurgischer oder auch Gefässchirurgischer Sicht. Allerdings lag hier immer das Augenmerk auf die HWS. Es wurden Röntgenbilder der gesamten Wirbelsäule seitlich angefertigt. o.B. Blutwerte sind alle im Normbereich.
Als ich sie jedoch einlieferte, war sie Gangunfähig. Gefäßchirurgisch wurde auf dem letzten MRT-Bild etwas gesehen. Da diese Bilder aber auf die knöcherne Strukturen eingestellt waren, musste ein neues gemacht werden. Auf diesem Bild war dann nichts zu sehen. Alles wieder o.B.. Erleichterung für uns. Aber auch totale Verwirrung. Jetzt heißt es psychosomatisch. Können wir uns aber leider nicht ganz mit anfreunden. Natürlich hat sie Todesangst erlebt (wurde unter Wasser gedrückt und 2-4 Leuten sind in Kopf und Nacken geknallt). Deshalb reden wir ja schon seit einem halben Jahr, das hier ein Traumatologe ans Werk gehen muss. Leider hatte das bisher stattgefundene nicht so ausgesehen wie gewünscht. Sie sollte ihrem Schwindel bestimmen, ob er männlich oder weiblich ist. Damit konnte unsere Tochter leider nichts anfangen. Sie hatte gelacht und gesagt: Welcher normale Mensch gibt seinen Schwindel einen Namen?. Auch während des tragens des Halofixateurs ging sie unter Leute auch Orte weiter entfernt. Sie ging zur Schule oder zu Freunden. Sie wurde nicht gehänselt oder ähnliches. Im Gegenteil. sie hat den Beschützerinstinkt ihrer Schulkameraden geweckt. Alle waren zuvorkommend und haben ihr unter anderem gesagt, das sie sich eigentlich schämen müsste, so schön zu sein mit so einem teil auf dem Kopf. Das passt bei uns einfach nicht in die Psychosomatik. Und wie kann es sein, wenn psychosomatisch einer mal was findet, der nächste nicht. Uns irritiert auch, das alle nur nach Verletzungen der HWS schauen, aber ansonsten alles ausser acht gelassen wird. Ein MRT vom Kopf fand eine Woche nach dem Unfall statt, aber o.B. . Können einblutungen nicht auch später stattfinden? Wir haben soviele Fragezeichen. Psychosomatisch kam in unseren Familien nie etwas vor. Und eigentlich ist sie aus dem Unfall stärker hervorgegangen. Aber warum wird mal was festgestellt und mal nicht? Über eine Antwort wäre ich wirklich dankbar. Natürlich wird und soll sie psychosomatisch betreut werden. Weiterhin versuchen wir gerade einen Termin bei einer Osteopathin zu bekommen und eine Anmeldung in der Schwindelambulanz hat sie auch. Leider erst im Januar.
Muppet
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Re: Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

Beitrag von Muppet »

Hallo,
führt deine Tochter ein Schwindeltagebuch?
Da notiert man Tag, Uhrzeit, Form (Schwindel= Schwankschwindel wie auf einem Boot z.B., Vertigo = Drehschwindel), bei Drehschwindel ist die Richtung nicht ganz unwichtig, Dauer der Schwindelattack, Situationen wo es auftritt, Begleitsymptomen. Ist unglaublich hilfreich für das Schwindelanbulanz, da eigentlich nur so kann man 100% einordnen.
Schwindel kann von der HWS, Ohr, 8. Hirnnerven, Hirnstamm (Pons,Medulla oblongata), Temporallappen ausgehen, oder eben psychisch sein. Kann auch bei verschiedene Kopfschmerzarten auftreten (Cluster, Migräne, Spannung usw.). Oder gar von die Augen ausgelöst werden. Es reicht aus wenn das 8. Hirnnerv Kontakt mit ein Blutgefäß hat - schon hat hat man ein Problem. Ist eine der schwierigsten Symptomen zuzuordnen. Die mehr Infos man hat, die leichter ist es.
Auch notieren welche Medikamenten probiert wurden - manchmal kann man auch so einordnen/eingrenzen.
Z.B. wirkt Carbamazepin hat man mit einen Nervproblem zu tun, da sonst wirkungslos
Antidepressiva - hat man mit Spannung, ggf. Migräne oder Psyche zu tun. Wirkt bei Nervenprobleme nicht usw. Die Liste ist lang.

Psychotherapie: Psychoanalyse/Tiefenpsychologie ist ein breites Feld mit viele Subgruppen. Es gibt die , die etwas "interessanteren" Ideen haben (z.B. Schwindel einen Geschlecht geben, Diagnosen durch Tintentests (Rohrschach) bis hin zur welche die Tiefenpsychologie mit Verhaltenstherapie kombinieren und einigermaßen wissenschaftlich fundiert sind. Die 2. Gruppe sind oft sehr,sehr gut, da flexibel. Passen Therapieform zum Klient an. Finde die erste Gruppe haben ein Tendenz zu überinterpretieren und etwas seltsame Berichten zu schreiben.

Bei Trauma gibt es gezielte Therapien - entweder die erwähnte 2. Gruppe oder kognitive Verhaltenstherapie. Verhaltenstherapie ist wissenschaftlich fundiert, d.h. Methoden und Effektivität sind mehrfach in größeren Studien überprüft. Da geht es um Verarbeitung,Symptomen/Gefühle erkennen und diese zu verarbeiten um diese dann zu uminterpretieren durch sowohl Gespräche als auch verschiede körperliche Techniken, bis hin zu Expositionstherapien (bei Panikstörungen).

Man hat das Recht ein paar Therapeuten aufzusuchen, Kennenlerngespräch führen und dann entscheiden. Methode und Chemie müssen stimmen. Sonst ist es eigentlich Zeitverschwendung.

Psychische Schwindel tritt meistens im Rahmen von Angst und Panik auf. Sehr oft Begleitsymptomen. Hängt oft mit eine Gruppe von Situationen zusammen/bestimmte Uhrzeit - die Auslöser.

Wenn die räumliche Orientierung dabei verloren wird: versuche ggf. neurologische Schwindelambulanzen die auch weiter weg liegen und schauen, ob es frühere Termine gibt. Schwindel ist ja sehr unangenehm, in organische Fälle besteht Verletzungsgefahr.

Noch komplizierter: es gibt Mischformen. Organisch und psychisch. Muss man trennen, da Behandlungen sind ja verschieden.

Alles Gute
Muppet
tinkerbell71
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Re: Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

Beitrag von tinkerbell71 »

Hallo Muppet. Danke für die schnelle und ausführliche Antwort. Ja, unsere Tochter führt ein Schwindel- und Schmerztagebuch. Allerdings nicht mit Uhrzeit, sondern nur wie lange alles angehalten hat. Um in eine neurologische Schwindelambulanz zu kommen bräuchte sie doch eine Überweisung von einem Neurologen. Hatte ich mir nämlich auch schon gedacht und wollte sie nach Lübeck in die Schwindelambulanz schaffen. Dort stand leider nur mit neurologischer Überweisung. Da aber ihre "neurologischen Ausfälle" (z.B. kribbeln in der rechten Hand, kurzzeitige Steifheit des rechten Daumens, u.s.w.) keine erkennbaren Ursachen haben, wird die Geschichte psychosomatisch Abgestempelt. Dazu und zur Verteidigung der Neurologen gesagt: Es wurden auch einige neurologische Tests durchgeführt. Die Diagnosen sind z. B.:
Evozierte Potentiale. Die SEP des N.tilialis sind symmetrisch im Normbereich, somit kein Anhalt für eine Afferenzstörung.
Elektrosystagmographie: In Ruhe und Provokation kein pathologischer Nystagmus nachweisbar. Keine pathologische Sakkadenbildung. Der optokenetische Reflex ist unauffällig. In der kalorischen Testung zeigt sich im Seitenvergleich eine Untererregbarkeit des Vestibulapparates rechts sowohl bei warmer als auch bei kalter Spülung.
Tonaudiogramm: Unauffälliges Tonaudiogramm links. Rechtsseitig findet sich eine leichtgradige Verschiebung sowohl der Knochenleitung als auch der Luftleitung um ca 10dB nach unten, somit möglicher Hinweis auf eine Innenohrschwerhörigkeit (subklinisch) rechts.

Unser HNO-Arzt sagte, das er nicht mehr von untererregbarkeit sprechen kann. Er sagt dazu totalausfall. Da wäre gar nichts mehr.
Während wie gesagt zwei andere überhaupt nichts festgestellt haben.
Auf Grund dieser Geschichten heißt es halt psychosomatisch und ich werde Schwierigkeiten bekommen eine neurologische Überweisung zu bekommen. Angemeldet ist sie in der Medizinischen Hochschule Hannover. Habe der Fr. Prof. Dr. med. auch die Berichte und Bildgebenden Dateien schon zukommen lassen, in der Hoffnung, das sie schneller dran kommt. Aber ihre Zeit läuft. Die Ferien sind schneller zu ende als man denkt und einmal musste sie die Klasse jetzt schon wiederholen. Mir wurde auch schon mehrmals angeraten, bei den nächsten "Anfall" mit ihr in die Notaufnahme der MHH zu fahren. Aber das kann es ja nicht sein, sie wieder als Notfall aufnehmen zu lassen. Dann rücken wir der Lösung ja wieder ein Stück weg, oder?
Aber man muss auch die Geschwindkeiten sehen. Der Unfall ereignete sich im Meer. Sie fuhren Bananaboot (wird hinter einem Schnellboot hinterher gezogen) Geschwindigkeit : ca. 60 - 80 km/h. Die 4 Leute, die ihr reingeknallt sind, haben ein Gewicht von 50 - 80 kg. Ich kann mir nicht vorstellen das ein SHT 1 und die Rotation der beiden Wirbel alles gewesen ist (wenn psychosomatisch sehr wohl ausreichend). Wenn ich mir die Fliehgeschwindigkeit berechne, weiß ich einfach das noch nicht alles gefunden wurde, aber langsam verzweifelt man.
Bei unserer Tochter handelt es sich um ein Vertigo immer rechts herum. Der Schwindel ist auch immer mit starken Kopfschmerzen verbunden. Medikationen waren: Ibuprofen und Novaminsulfon. Beides schlug nicht an. Deshalb nimmt sie es auch gar nicht mehr. (Wenn es nicht hilft, warum soll ich es nehmen?). Sie hatte es aber gerade auch bei dem Halofixateur oft versucht. Chirurgisch ist die HWS wieder regelrecht. Doch hat sie schon Einschränkungen. Die kann den Kopf halt nicht so drehen und neigen wie vorher.
Die "seltsamen" Berichte der Psychologie haben wir auch kennengelernt. Nach 3 Gesprächen. Aber man kann ja alles ins positive und negative Auslegen. Wie es dem Betrachter gerade gefällt. Sorry, war Aussage von meinem Mann. Nein, ich denke wirklich, ihre Aussagen beinhalten schon ein Traumatikum z.B. "wusste nicht mehr wo oben und unten ist", "habe keine Luft mehr bekommen" (beim Unfall) oder die Unfallbilder schießen vor ihrem innerem Auge. (Kam aber erst einmal vor). Im übrigen hat sie immer noch Gedächnisstörungen. Sie fragt z.B. was es zum Essen gibt und fünf Minuten später fragt sie noch mal. Danke nochmal für deine Antwort Muppet.
Muppet
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Re: Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

Beitrag von Muppet »

Hallo,
bei solche Unfälle geht es nicht unbedingt um die Knochen - sie heilen schnell.
Nerven werden überdehnt, Muskeln kriegen ordentlich was ab.
Es gibt auch "unsichtbaren" Schaden, auch im Gehirn. Das Gehirn ist empfindlich.
Wenn Schwindel mit starken Kopfschmerzen verbunden ist - Migräne Experte konsultiert? Kennen sie ja auch mit die differential Diagnosen aus. D.h. Migräne und andere Erkrankungen die sich ähnlich äußern.

NLGs gemacht worden? AEPs?

Psychisch ist immer einen Ausschlussdiagnose. D.h. körperliche Ursachen müssen so weit wie möglich ausgeschlossen werden.

Bei häufig auftretende Schmerzen - ebenfalls Neurologe mit Migräne Spezialisierung für vernünftigen Schmerzprophylaxe. Hindert, dass die Schmerzen auftreten, bzw. reduziert Häufigkeit/Stärke. Auf der DMKG (Deutsche Migräne und Kopfschmerz Gesellschaft) Seite findet man Neuros mit dieser Zusatzausbildung.

Alles Gute
Muppet
tinkerbell71
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Re: Vestibularisausfall mal feststellbar, mal nicht??

Beitrag von tinkerbell71 »

Danke Muppet.
Mache mich mal schlau :-) .
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