Lebenserhaltende Maßnahmen

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27Marie15
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Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von 27Marie15 »

Liebe Leser,

ich möchte Sie um Ihre Meinungen bitten, da mich ein Vorfall nachhaltig beschäftigt........
Meine Mutter ist seit vier Jahren komplett pflegebedürftig, bettlägerig, künstlich ernährt, Katheter und natürlich hat sie immer wieder auch Schmerzen.
ABER, ich denke, dass es ihr für diese Situation bestmöglich geht......sie wird zu Hause gepflegt, liebt Musik, singt mit. Geistig ist sie einigermaßen fit.....man kann mit ihr zwar keine hochgeistigen Diskussionen über Weltpolitik mehr führen, aber sie ist sehr aufmerksam und interessiert und sagt durchaus, was ihr passt und was nicht. Sie ist also nicht geistig weggetreten, oder so.......Sie spricht allerdings an manchen Tagen mehr als an anderen......und ist gegenüber ihr unbekannten Personen sowieso noch viel zurückhaltender.
Vor Kurzem war sie für einen kleinen Eingriff im Krankenhaus und ein Arzt, der irgendwie in die Aufnahme involviert kam, kam ins Zimmer. Er stellte ein paar Fragen, betonte aber gleich, dass er gar nichts aus ihrer Akte kennen würde. Er wusste also nichts über sie......Plötzlich, aus heiterem Himmel, fing er an mir ein Gespräch darüber zu drücken, dass er sich bei ihr mit "lebenserhaltenden Maßnahmen" zurückhalten würde, wenn es denn mal zu so einer Situation käme und wie ich den dazu stünde. Ich war ziemlich vor den Kopf gestoßen, da das ja auch vor meiner Mutter war und sie alles mitbekommen hatte.....Ich sagte daraufhin nur, dass ich doch denken würde, dass wir nur für einen Minieingriff hier seien etc......Er daraufhin: "das muss ja auch nicht hier passieren, könnte ja auch mal zu Hause sein....ist halt ne ehtische Frage etc... Hab mich gar nicht weiter darauf eingelassen.

Ich finde das Vorgehen ziemlich unsensibel:
1. Kennt dieser Arzt weder meine Mutter noch mich und weiß nicht, was er mit so einem Thema "anrichtet".....ich finde, dass schon ein wenig Vertrauen und Hintergrundwissen dazugehört und keine 60-Sekunden-Visite.
2. War es nicht gerade vertrauensstiftend, zu erfahren, dass dieser Arzt das Leben meiner Mutter wohl nicht mehr als soooo wertvoll erachtet :-(.
3. Das Schlimmste daran ist, dass es auch komplett respektlos vor meiner Mutter ist, da das ja vor ihr geschah.....
4. Empfinde ich es auch ein wenig als Angriff: wir pflegen meine Mutter liebevoll, empfinden ihr Dasein keinesfalls als wertlos....Als würde er ihr Leben nur als Qual sehen und wir seien dafür verantwortlich.

Ich kriege das nicht mehr aus dem Kopf. Natürlich möche ich, dass meine Mutter so wenig wie möglich leidet.....aber ich möchte auch nicht, dass ein Unbekannter, gar ein Arzt, ihr Leben als wertlos ansieht.
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jaeckel
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von jaeckel »

Haben Sie mal mit Ihrer Mutter offen darüber gesprochen? Wie ist ihre Meinung dazu? Gibt es eine Patientenverfügung?
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
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27Marie15
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von 27Marie15 »

Wir haben schon vor vielen Jahren eine Vollmacht notariell beurkunden lassen.......
Inhalt ist sinngemäß, dass ich und ein zweiter Familienangehöriger auch über sowas entscheiden können, wenn etwa mit meinen Eltern ist....das ist so eine Vollmacht für Vermögens- und Gesundheitsangelegenheiten. Offen artikuliert wurde jedenfalls von beiden nie, dass sie niemals reanimiert werden wollen....

Seit es meiner Mutter jetzt so schlecht geht, haben wir nicht darüber gesprochen, nein. Sie hat aber NIEMALS artikuliert, nicht mehr zu wollen......und ich habe schon vorsichtig Fragen in diese Richtung gestellt.....

Ich denke ja nicht, dass man über dieses Thema nicht sprechen darf/soll als Arzt. Aber vielleicht nicht, wenn man für 60 Sekunden ins Zimmer schneit, die Patientin nicht kennt und sich danach auch nie wieder blicken lässt......und vor allem auch nicht VOR einem Eingriff, vor dem die Patientin auch Angst hat :-(.
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jaeckel
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von jaeckel »

27Marie15 hat geschrieben:Seit es meiner Mutter jetzt so schlecht geht, haben wir nicht darüber gesprochen, nein.
Tipp: Tun Sie es! Es kann immer was passieren. Gerade bei einem Eingriff. Aber auch sonst.

Denn wenn Sie das nicht geklärt haben, muss ein (Not-, Narkose-) Arzt, der Ihre Mutter nicht gut kennt, sehr schnell entscheiden, wie sie denn zu diesen wichtigen Fragen entscheiden würde.

Im Zeitdruck der klinischen Arbeit fällt eine einfühlsame Klärung solcher Fragen schwerer als im häuslichen Umfeld. Die oben verlinkte Broschüre gibt viele sinnvolle Anregungen.
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
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27Marie15
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von 27Marie15 »

Zwischen klären, fragen und anderen ohne Not seine Meinung überstülpen, gibts aber noch einen Unterschied!
Es lag weder eine akut bedrohliche Situation vor, noch hat dieser Arzt sie überhaupt behandelt.........
dora
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von dora »

ich denke die die Frage zu stellen war nicht falsch, aber doch etwas unsensibel. Er hätte dich alleine fragen sollen. Hat nun bei diesem Eingriff die Mutter noch selbst unterschrieben, oder hast du das an hand der Vollmacht getan ?
Ich würde aber auch, wie schon geschrieben versuchen mit der Mutter über dieses Thema zu sprechen solange sie es noch versteht. Man entscheidet sich dann in der Notsituation leichter.
27Marie15
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von 27Marie15 »

Ich habe unterschrieben Dora......wie beim letzten Mal auch schon. Das kann meine Mutter nicht mehr...und es war ja in besseren Zeiten der Wille meiner Eltern, dass wir das entscheiden können. Es ist für mich schwierig, rüberzubringen, was meine Mutter noch kann und was nicht....was man noch mit ihr besprechen kann und was nicht...aber das ist ja auch für hier nicht so wichtig, denke ich ;-). Fand nur das Vorgehen dieses Arztes absolut nicht in Ordnung.
dora
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von dora »

dass er ddich anspricht finde ich nicht flasch, aber nachdem du unterschrieben hast, also Ansprechpartner bist, hätte er dich allein ansprechen sollen. War eben unsensibel.
27Marie15
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von 27Marie15 »

Das zum einen, ja........
Und zum anderen tut meiner Meinung nach seine Privatmeinung zu diesem Thema nichts zur Sache.
"Was denken Sie darüber"? ist ne andere Frage als "Ich würde mich mit lebensrettenden M. zurückhalten, ich weiß nicht wie Sie das sehen....?". Irgendwie leistet man doch da so einen Eid am Anfang seiner Berufslaufbahn......dass man entgegenstehenden Willen akzeptiert, sollte selbstverständlich sein......aber die Erklärung, dass man aus eigenen Stücken seinem "Auftrag" nicht nachgehen würde, finde ich was anderes!
Brigitte Goretzky
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von Brigitte Goretzky »

27Marie15 hat geschrieben:Irgendwie leistet man doch da so einen Eid am Anfang seiner Berufslaufbahn......
Ich habe keinen Eid geschworen.
Wer sich mit den Eid des Hippokrates naeher beschaeftigt, moechte auch gar nicht, dass heutige Aerzte diesen Eid leisten. Das aber nur am Rande.
......aber die Erklärung, dass man aus eigenen Stücken seinem "Auftrag" nicht nachgehen würde, finde ich was anderes!
Koennen Sie das mal erklaeren? Ich kann ihrem Ausgangsposting nicht entnehmen, dass der Arzt die Behandlung verweigert haette.

Was das Wie und Wann angeht, war ich nicht dabei, kann daher nicht beurteilen, ob der Arzt das sehr unsensibel angegangen ist, oder ob Sie derzeit sehr empfindlich reagieren. Sie muessen sich aber im modernen Gesundheitssystem von der Vorstellung frei machen, dass ein Arzt, der ihre Mutter und sie gut kennt, sich Zeit fuer ein langes Gespraech nehmen kann. Falls ihre Mutter noch einen altmodischen Hausarzt hat, seien Sie froh drum, denn das ist immer mehr die Ausnahme. Lange, einfuehlsame Gespraeche werden von den Kassen nicht bezahlt und daher koennen die wenigsten Aerzte heutzutage einen solchen Service bieten.
And God promised men that good and obedient wives would be found in all corners of the earth.


Then she made the world round and laughed and laughed and laughed...
fatale
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Re: Lebenserhaltende Maßnahmen

Beitrag von fatale »

Hallo Marie,
mein Mitgefühl hast du und deine Mutter auch.

Ich habe dich so verstanden, du fragst nach konkreter Situation, wie du sie erlebt hast, also nach dem "Wie" und nicht nach allgemeiner Bedeutung der Frage nach Lebenserhaltenden Maßnahmen.

Ich meine, eine Fragestellung auf die Art und Weise ist entwürdigend für die Patientin und ein Armutszeugnis für den Menschen Arzt. DAs kann man nicht beschönigen.

Ich vermute, dass viele Ärzte nach der langen und schweren fachlichen Ausbildung die Menschenwürde gar nicht mehr recht wahrnehmen oder ihr hinter ihrer Fachlichkeit nur einen geringen Stellenwert einräumen.
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