Alles bloß nicht Kassenarzt

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PR
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Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von PR »

aus der heutigen Antwortmail eines nicht weit entfernten universitären Ambulanz-Fachoberarztes auf meine gestrige Frage, ob in seiner Crew wohl wer wär, die/der sich vorstellen könnt, den kranken Kassen künftig an meiner Stelle den Horrorclown zu machen:

"... obwohl die Ärzte/innen in Weiterbildung und die Fachärzte/innen über eine hohe Arbeitsbelastung und durchgearbeitete Nächte schimpfen, geht bei uns die Bereitschaft zur Niederlassung gegen Null. Schon eine seltsame Entwicklung. Ich hätte mir nach der Facharztprüfung eine Niederlassung gut vorstellen können; damals waren die Praxen aber unerschwinglich. Werde heute in der Frühbesprechung fragen."

Danach kam nix mehr.

PR
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Barnie Geröllheimer
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...sag ich doch schon die ganze Zeit!

Beitrag von Barnie Geröllheimer »

PR hat geschrieben: "... obwohl die Ärzte/innen in Weiterbildung und die Fachärzte/innen über eine hohe Arbeitsbelastung und durchgearbeitete Nächte schimpfen, geht bei uns die Bereitschaft zur Niederlassung gegen Null. Schon eine seltsame Entwicklung. Ich hätte mir nach der Facharztprüfung eine Niederlassung gut vorstellen können; damals waren die Praxen aber unerschwinglich. Werde heute in der Frühbesprechung fragen."
Danach kam nix mehr.
Gemeint war vermutlich die Niederlassung als Vertragsarzt gesetzlicher Kassen. Gemeint war vermutlich die Niederlassung aus dem GOUDAH-Bereich.

Niemand, der halbwegs gesund ist im Oberstüble, lässt sich auf solche Verträge und Knebeleien und Schikanen ein. Auch dann nicht, wenn es Banken noch immer als "Sicherheit" fordern würden.
Diesen Punkt werde ich übrigens mal genauer beleuchten. In einem anderen Forum ha´m wir Banker unter den Nutzern und es würde mich brennend interessieren, wo die Banken da noch ihre "Sicherheit" sehen.
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Tja, das schreiben Sie so locker.

Beitrag von PR »

Allerdings: diese Knebeleien und Schikanen bilden schon immer das Fundament des Ganzen.

Frei nach Noweski: es sind die bewusst eingerichteten wechselnden Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Gruppen, die bisher erfolgreich verhindert haben, dass sich da was zusammenrottet.

Allmählich erodiert aber nun das Fundament. Danken's Sie der Politikerkaste.

PR
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Humungus
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Humungus »

PR hat geschrieben:Danach kam nix mehr.
Exakt so geht es uns bei der Suche nach einem Nachfolger für meinen Partner.

Unser Profil:
- jahrzehntelang eingeführte Praxis mit gutem Ruf
- arbeitstechnisch optimiert, zertifiziert
- hohe Scheinzahl, für ländliche Region vernünftiger Privatanteil, kein Bescheißen der Patienten nötig, nix wird angedreht
- operative Praxis, reichlich Ausbaupotential
- hohe Umsätze bei optimierten Kosten
- volle Partnerschaft geboten, kein "konservativer Zuarbeiter auf Lohnbasis". Wer gut arbeitet, dem wird es gut gehen.

Früher hätte es gereicht, einem einzigen Linsenvertreter das zu sagen, das Telefon hätte nicht mehr stillgestanden, der Postbote Bewerbungen in Wäschekörben gebracht.

Heute? Null. NULL.

Die Freiberuflichkeit ist tot. Vielen Dank, Herr "Experte" Lauterbach, vielen Dank, Dienstwagen-Ullalla.
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dora
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von dora »

Humungus, jetzt verstehe ich garnicht warum sie immer so jammern, Ihnen scheint es doch ganz gut zu gehen ??
Barnie Geröllheimer
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Barnie Geröllheimer »

dora hat geschrieben:Humungus, jetzt verstehe ich garnicht warum sie immer so jammern, Ihnen scheint es doch ganz gut zu gehen ??
Ich gehe mal davon aus, dass es Humungus primär nicht um die Höhe seines Einkommens geht, sondern um die Art und Weise, wie er es verdienen muss und wie lange er dafür arbeiten muss.
Mein Schwager, eben jener mit Bechterew, ist Kunstmaler. Er hätte sicher im Retiro-Park in Madrid oder auf der Karlsbrücke in Prag für dümmliche Touristenporträts ein gutes Geld machen können, aber Auftragsmalerei hat er stets abgelehnt.
Und ich kann mir schon vorstellen, dass wenn man einem Patienten/Kunden optimal helfen könnte, man es aber nicht darf, ohne sich womöglich Sanktionen auszusetzen, dann kann das sehr frustrieren.
Ein Beispiel: Ein Augenarzt empfiehlt unter Berufung auf die Hilfsmittelrichtlinien einem Patienten eine Lesehilfe, vulgo "Fertigbrille". Mit dieser Empfehlung geht er zu einem ambitionierten Optiker, der für 24,90 € schon individuelle Brillenfertigung anbietet. Eine etwas bessere Lesehilfe mit Flexscharnier kostet auch schnell 15-20 Euro, bietet aber weder individuelle Stärken, noch individuelle Zentrierung und individuelle Anpassung.... und das alles nur, weil es die Hilfsmittelrichtlinien vorschreiben, sich "Fertigprodukten" bedienen zu müssen, wenn diese "ausreichen".
Der am Ende Gelackmeierste ist übrigens der Brillenträger, denn mit einem solchen Behelfsscherben ist ihm nicht auf Dauer gedient.
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dora
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von dora »

Augenarzt? Flatrate. Für nur 18 Euro all you can (tr)eat, ein ganzes Quartal lang! DAS ist heutige Gesundheitspolitik.
:?:
Humungus
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Humungus »

Als erstes: ich "jammere" nicht, sondern schildere die Tatsachen. Dass manche das nicht gerne hören verstehe ich.

Das Quartalsbudget eines Augenarztes ist tatsächlich lachhaft niedrig. Das ist auch der Grund, warum konservative selbständige Praxsen bald nicht mehr existieren werden. Verdient wird mit Privatpatienten, IGeLn und Operationen.

- dass die GOÄ möglichst schnell dem EBM angepasst werden soll, wird Ihnen, Dora, bekannt sein
- dass aus allen Rohren gegen IGeL geschossen wird auch. Lieber jemanden blind werden lassen.
- dass Kleinoperateure auch verschwinden sollen, sollten Sie auch wissen. Die Zukunft soll Ärzte zwingen, sich zu entscheiden: nur konservativ oder nur operativ. Das war bereits von einem ehemaligen KV-Vorsitzenden in Bayern konkretisiert, und auch ein Berufsverbandsvorstand trotete ins gleiche Horn.

Was erwarten Sie von mir, Dora? So lange den Mund zu halten bis meine Praxis endlich weg ist?
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dora
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von dora »

Was erwarten Sie von mir, Dora? So lange den Mund zu halten bis meine Praxis endlich weg ist?
so wie sie ihre Praxis oben anpreisen dürfte das doch kaum möglich sein.
PR
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Bis Patient/inn/en gemerkt haben, was da läuft,

Beitrag von PR »

wird's noch ein Weilchen dauern.

"Wo sollen wir denn dann hin, wenn Sie weg sind ?" wer' ich jetzt täglich mehrfach gefragt, denn "auf'm Land" / so wie bei mir / funktioniert die Buschtrommel natürlich hervorragend.

Ins zentrale Emmvauzett, sag ich dann, so um die zwanzichneunzehn soll da Baubeginn sein, hab ich mal gehört.

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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Christianes Herz »

So ist es mir auch gegangen als "mein" Frauenarzt in den Ruhestand gegangen ist und keinen Nachfolger präsentieren konnte aufgrund auch hier im Forum erörterter Widrigkeiten.
Grad in Ihrem Fachbereich find ich es für eine Frau nicht einfach, "ihren" Arzt zu wechseln. Wie Sie sagten, Patientinnen merken es erst sehr spät.

Grüße
Christiane
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Muppet »

Etwas andere Berufszweig aber um mich niederzulassen, brauchte ich einen Ausbildung für 12 -20,000 € (Approbation Verhaltenstherapie) dann ein Weiteren für 15,000€ (Klinische Neuropsychologie)

Dann müsste ich eine Praxis und Kassensitz kaufen - da ist man bei 50 -100,000€ dabei, weil die KV die Anzahl von Kassenzulassungen stark verkürzt haben. Im Gegensatz zu die Ärzte erwirbt man keine Ausrüstung, sondern nur die Zulassung.

Im Krankenhaus brauche ich kein Ausbildung um genau die gleiche Arbeit zu machen. Bin so auch nicht freiberuflich.

Dafür im ambulanten Bereich beträgt für Patienten die Wartezeiten auf einen Termin Monaten.

Gruß
Muppet
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Auch Ihr Beruf ist ein "freier", nehme ich mal sicher an

Beitrag von PR »

Es gibt einen staatlich anerkannten Berufsabschluss (sive: "Approbation", früher "Bestallung"),
es gibt eine Berufs- "Kammer", an die Sie oder ihr Arbeitgeber Beiträge zahlen,
und es gibt eine "Berufsordnung", an die Sie sich zu halten haben, stimmts ?


Die "verkammerten" "freien" Berufe haben im 'schland eine lange gute und durchaus staatstragende Tradition. Leider hat sie das nicht vor ideologischer Usurpation z.B. durch das "Dritte Reich" bewahrt.

Dieses "Dritte Reich" haben die Freiberufler leider nur formal unbeschädigt überstanden. Heute leiden sie unter ganz anderen Usurpatoren.

Dass es denen (,wie sie behaupten,) weiterhin nur um den sozialverträglichen Ausgleich persönlicher Interessen ginge, mag man ihnen nu wirklich nicht mehr abnehmen. Schließlich haben sie sich mit ihrem Geschäftsmodell längst zur Zahlung von Renditen an (an der Sache selbst unbeteiligte) Dritte verpflichtet.

PR
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Ich provoziere mal ein bißchen:

:arrow: http://www.aerzteblatt.de/archiv/183218 ... -Belastung
Mehr als 90 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sind mit ihrer Arbeit zufrieden. 96 Prozent von ihnen macht die Arbeit Spaß und 98 Prozent finden sie nützlich und sinnvoll. 85 Prozent würden den Beruf wieder ergreifen. Bei den Psychotherapeuten liegen die Zufriedenheitswerte noch höher als bei den Ärzten. Alle Therapeuten (100 Prozent) halten ihre Arbeit für nützlich und sinnvoll, 99 Prozent macht die Arbeit Spaß und 98 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden. Den Beruf wieder ergreifen würden immerhin 91 Prozent. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von mehr als 10 000 niedergelassenen und angestellten ambulant tätigen Ärzten und Psychotherapeuten, die das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) zwischen Februar und Juni im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des NAV-Virchowbundes durchführte.
(...)
„Die Befragungsergebnisse deuten zudem auf eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den vergangenen Jahren hin“, sagte Smid. 70 Prozent der Hausärzte erklärten demnach, sie seien mit ihrem persönlichen monatlichen Einkommen zufrieden.
Also jammert hier nur eine kleine Randgruppe?

Ehrlich gesagt haben mich die Zahlen in dieser Deutlichkeit schon überrascht...
Dr. A. Flaccus
Facharzt für Anästhesie
- Notfallmedizin -
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Humungus
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Re: Alles bloß nicht Kassenarzt

Beitrag von Humungus »

Die Statistik ist eine Goldgrube. Dass nur die Zahlen, die politisch gewollt sind, in die Schlagzeilen kommen - honi soit...

- die Altersgrafik bei den Befragten zeigt nach oben. Von 8100 Befragten sind nur 1160 "bis 44 Jahre", aber 2275 "60 und älter". Als erstes frage ich, ob die Stichprobe repräsentativ ist, als zweites denke ich: mit dem Studium ist man mit ca. 25-27 fertig, Facharzt 5 Jahre danach - vergreisen die Ärzte?

- von den "Zufriedenen" sind bei den Hausärzten 49 Prozent "eher zufrieden", bei den Fachärzten 52 Prozent. Dass man auf einer Skala 4 Noten hat - warum fehlt eigentlich das "neutral"? Übrigens finden sich nur Angestellte - wo sind die Zahlen für Selbständige???

- auf der Suche nach einem Nachfolger hat mehr als die Hälfte angegeben, noch keinen Nachfolger gefunden zu haben. Wie ich bereits sagte: das ist neu, und da gibt es eine Tendenz.

- 46 Prozent empfinden sie Suche nach einem Nachfolger als "sehr schwierig", 25 als "eher schwierig" - wie war das noch vor 10 Jahren? Vor 20 Jahren?

- meine Tätigkeit stimmt mit den Wünschen überein, die ich zu Beginn des Studiums hatte: da geht der Zeiger bereits nach unten. Wohl nicht so, wie gedacht...das erklärt die vielen Dropouts, die nicht klinisch tätig werden.

- ausreichend Zeit für die Patientenarbeit? Das sieht mehr als die Hälfte aller Ärzte anders, mit Ausnahme der Kleinpraxen (max. 1 Vollzeitstelle). Das spricht Bände, insbesondere dass die Kleinpraxen das anders sehen.

"eher zufriedene Ärzte"? "eher angemessene Anerkennung"? Zuwenig Zeit für Patienten? Alterndes Arztkollektiv? Schwierigkeiten mit der Nachfolge?

Mal ebenso provokativ: Reicht uns das?


und noch provokativer: ich hätte gerne die Rohdaten in meinen Händen...
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